
Wenn weniger Pflegekräfte zu mehr medizinischen Fehlern führen
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- 16.12.2020
Eine US-Studie untersuchte, ob die Vermeidung langer Sprechstunden Behandlungsfehler durch Überlastung junger Ärzte verhindern könnte. Zu ihrer Überraschung stellten die Forscher fest, dass sich die Patientensicherheit in 3 der 6 teilnehmenden Kliniken verschlechterte, wenn die Ärzte mehr Schlaf bekamen. Weitere Analysen zeigten, dass Schlafmangel nicht die einzige Ursache für Behandlungsfehler ist.
In der ROSTERS-Studie (Safety Randomized Study with Evaluation of Resident Physician Schedules) testeten 6 Kinderintensivstationen nacheinander 2 Arbeitszeitmodelle.
Im ersten Modell waren die Ärzte nach der normalen Tagschicht nachts im Dienst. Dann waren die Ärzte 24 bis 28 Stunden am Stück in der Klinik. Beim zweiten Modell wurden verlängerte Schichten durch 16-Stunden-Nachtschichten ersetzt. Am Tag zuvor waren die Ärzte abwesend. Zum Ausgleich der Arbeitszeiten wurden die regulären Tagesschichten von 8.00 Uhr auf 11.00 Uhr (jeweils bis 14.00 Uhr) erhöht.
Infolge der Ablehnung langer Ärzteschichten begannen sie erwartungsgemäß mehr zu schlafen. Der Anteil der Nächte, in denen sie weniger als 4 Stunden schliefen, sank von 25 Prozent auf 9 Prozent.
Allerdings zeigte sich in der Studie kein merklicher positiver Effekt auf Behandlungsfehler. Christopher Landrigan vom Boston Children’s Hospital und Kollegen stellten sogar eine 53-prozentige Zunahme der Fehler fest – basierend auf einer Analyse von Krankenakten. Die Zahl schwerwiegender medizinischer Fehler stieg um 56 %.
Der Anstieg der Behandlungsfehler beschränkte sich auf 3 von 6 teilnehmenden Kliniken. In einem Fall stiegen schwerwiegende medizinische Fehler um das Sechsfache. In 2 Kliniken funktionierte das neue Arbeitszeitmodell nicht, in einer Klinik ging die Fehlerquote um 76 % zurück.
Nach eigenen Angaben brauchten die Forscher ein Jahr, um herauszufinden, was passiert war. Zunächst vermuteten sie, dass die Patientenüberweisung für die Zunahme der Fehler verantwortlich sei. Dies erschien plausibel, da bei der Übergabe wichtige Informationen für die Weiterverarbeitung verloren gehen könnten. Die Zahl der Patientenverlegungen stieg durch das neue Arbeitszeitmodell um 25 %, das Wachstum war jedoch in allen Kliniken gleich.
Es muss also einen anderen Grund gegeben haben. Das fanden die Forscher im Arbeitsalltag heraus. Die Zahl der vom Arzt behandelten Patienten auf der Kinderintensivstation schwankte stark. Auf einer Intensivstation kamen 4 bis 5 Patienten auf einen Arzt, auf einer anderen 10. In diesen Kliniken kam es unter dem neuen Modell häufiger zu Behandlungsfehlern. Warum ist nicht klar. Es könnte aber sein, dass die Ärzte bereits am Limit arbeiteten und die Belastungen durch das neue Modell mit vermehrter Patientenverlegung nicht mehr bewältigen konnten.
Wenn also Kliniken die Mehrkosten für den Wegfall langer Bereitschaftsdienste durch eine Erhöhung der Patientenzahl pro Arzt kompensieren, kann die Patientensicherheit letztlich darunter leiden.